Cthulhu Convention 2010: Ein detaillierter Nachbericht


Unter der Rubrik „Kellergeflüster“ schreiben Mitglieder des Limburger Rollenspielerstammtischs aus ihren Erfahrungen, über ihre Meinungen und Ideen rund um das große Hobby „Rollenspiel“. Die Beiträge liegen in der Verantwortung des Autors und haben nichts mit dem eigentlichen Stammtisch zu tun.

Von Mirko Bader

Als ich jüngst darüber grübelte, wann ich das letzte Mal auf einer größeren Con außerhalb Limburgs war, geriet ich gedanklich ins Schleudern. Schon möglich, dass das schon 17 oder 18 Jahre her war. In meinen Erinnerungen war eine Convention eine große Halle, angefüllt mit einer unendlichen Menge Stimmen, zu einem zähen Brei verschmolzen, der nach kurzer Zeit Kopfschmerzen erzeugte. Man verstand sich mehr schlecht als recht und Rollenspielrunden anzubieten, scheiterte oft daran, dass Spielleiter und/oder Spieler permanent abgelenkt waren. So kehrte ich der Con-Szene erst einmal den Rücken (und bereute höchstens den Verlust von guten Freunden und Bekannten, die man sich über die Zeit aufgebaut hatte).

Rieneck, Innenhof
Rieneck, der Wahnsinn kann beginnen!

Rieneck, Spessart. Nach gut 2 Stunden Fahrzeit erreiche ich mein Ziel: Die „Pfadfinder-Burg“ Rieneck, die für drei Tage ganz im Zeichen des (vornehmlich deutschen) Cthulhu-Rollenspiels mit all seinen Settings und Varianten stand. Was hatte mich an diesen Ort verschlagen? Antwort: Die Deutsche Cthulhu Convention.

Da war ich nun, nach Jahren des Con-Entzugs etwas wacklig auf den Beinen (oder lag’s am steilen Aufgang zur Burg?). Man checkt sich ein, bekommt einen Schlüssel mit der Aufschrift „Silver Twilight Lodge“ in die Hand gedrückt, dazu einen Umschlag mit einem durchgestylten Mini-Spielleiterschirm (der sich schnell als Los entpuppte). Aha, die Silver Twilight Lodge, das sollte also meine Kemenate sein (die ich mir mit 7 mir unbekannten Typen teilen sollte – am Ende waren’s aber nur 3).

Rittersaal
In einem solchen Saal sind am besten Mittelalter-Abenteuer angesiedelt.

Ein Blick auf die große Übersichtskarte der Burg mit all ihren Räumen bringt mich zum Staunen: Da gibt es die Miscatonic University, Arkham und Kingsport, das Devil’s Reef oder Ghoul’s Feast – jeder Raum in der Burg ist betitelt nach Lokationen aus dem Cthulhuversum. Nix Speiseraum, nix Aula, nix Rittersaal. Hmm, sollte ich mich tatsächlich unter wahrhaftigen, echten Cthulhu-Fans befinden? Jawoll! Hier bin ich erstmal richtig.

Nachdem ich mir ein Bett in der „Lodge“ gesichert hatte, war ich drauf und dran, die anderen Fans kennenzulernen. Da ich einer der ersten Anreisenden war, konnte ich das Einplätschern der rund 100 Besucher in Ruhe begutachten. Wenige kannte ich vom Sehen (etwa von der Cthulhu Mitarbeiter-Party im Mai ’09). Bei vielen konnte ich damals aber keinen Namen zuordnen, obwohl viele Namen ja bekannt sind, etwa aus dem Impressum der jeweiligen Publikationen. Oder man kennt die aktiven Fans aus dem Cthulhu-Forum – doch dort nur unter einem seltsamen Nickname wie Macthulhu oder Kenneth Cumberdale.

Orga
Willkommensgruß der Orga, v.li.: Chrissi Frerichs, Alexander Dotor, Burg-Praktikant.

Aber alles kein Problem. Christian Frerichs und sein Orga-Team haben vorgesorgt: Jeder Gast erhält ein Namensschild (natürlich aufwändig durchgestylt und in Plastik eingeschweißt). Auf der einen Seite der richtige Name (so wie er im Impressum und im Perso steht), auf der anderen Seite der Forums-Nickname. Eine verdammt clevere Idee, denke ich mir noch (und ich sollte öfter drauf zurückgreifen).

Pegasus-Stand
Am Ende wird er alle New-York-Bände am Pegasus-Stand verkauft haben.

Im großen Hauptsaal („Arkham“, was sonst?), bauen inzwischen eifrige Pegasus-Mitarbeiter (die das Event natürlich nach Kräften unterstützen) ihren Verkaufsstand auf. Die druckfrischen Ausgaben von New York – im Schatten der Wolkenkratzer werden neben den vielen anderen Büchern und Spielen ausgelegt und von mir sofort begutachtet (schließlich ist mein inzwischen viertes publiziertes Abenteuer da irgendwo drin).

Zu diesem Zeitpunkt merkt man es schon: Die meisten anderen Gäste sind heiß! Heiß aufs Rollenspiel. Als die Spickzettel mit den vielen Spielrunden und Angeboten ausgehängt werden, drängt es die Schar nach vorne. Schnell noch einen Platz sichern! Ich selbst hatte mich bereit erklärt, eine Runde am Freitagabend zu leiten (dann ist die Pflicht rum und ich kann mich am Samstag schön zurücklehnen). Apropos Zurücklehnen: Nach der teils anstrengenden Fahrt über viele Stunden hinweg, sieht man kurz nach der Ankunft eine sehr entspannte Gruppe vor „Arkham“ stehen, bewaffnet mit einer Bierflasche (ich natürlich auch). Auch ein Punkt, der sich von anderen Cons abhebt (ob positiv oder negativ, das darf jeder für sich selbst bestimmen).

Bier!
Ein (kleiner) Teil der Bierfraktion. Es gab Pils und Weizen.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist (vielleicht) das Alter der Gäste. Meine Erfahrungen sind zwar etwas angestaubt, aber für mich waren RPG-Cons immer vornehmlich der Jugend vorbehalten – wer über 30 Jahr, galt als „alt“, brrr. Der Altersdurchschnitt auf Burg Rieneck dürfte sich vornehmlich im „gesetzten“ Alter von 30 bis 40 Jahren abgespielt haben, mit einigen Ausreißern nach unten und diversen „Großen Alten“, geboren aus den Äonen der deutschen Fanszene.

Burghof2
Langsam trudelte die illustre Gästeschar ein. Fast alle Gebäude der Burg sind im übrigen "bespielbar".

Bevor das Programm dann endlich losgehen durfte, trippelte die hungrige Schar erst einmal in den Speisesaal (Ghoul’s Feast), wo man (an allen drei Tagen) ein für Jugendherbergen deutlich überdurchschnittliches Essen serviert bekam. Hier sei noch ein cleveres Gimmick aufgeführt, das wohl aus der Erfahrung der Con-Orga genährt wurde: Die ganze Nacht über stand im Fressplatz der Ghoule ein riesiger Kannister heißen, dampfenden Kaffees bereit.

Von dem machte ich und meine Gruppe wenig später Gebrauch, als es nach dem Essen dann endlich mit den Spielrunden losging. Ich erwischte eine der schöneren Kammern in der Burg: Ein Erkerzimmer (Ipswich, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht) mit grandiosem Blick hinunter ins Tal mit dem Dorf Rieneck. Vier junge Spieler, angereist aus Hannover, stellten sich den Gefahren meines unheimlichen Mittelalter-Szenarios, das ich erst kurz zuvor getestet hatte.

Spielrunde
Sie freuen sich nur, weil sie meine Runde überlebt haben - und endlich in die Heia dürfen!

Was einen weiteren, ganz dicken Pluspunkt verdient: Alle Spielgruppen waren über die Burg verteilt, mit gehörigem Abstand voneinander, so dass man tatsächlich seine Ruhe hatte – und auch Gruselstimmung aufkommen durfte (wenn die Spieler mitspielten, was meine dann auch taten). Selbst wenn man sich zu nahe kam, konnte man getrost auf eines der 8-Bett-Zimmer ausweichen, in denen jeweils ein großer Tisch nebst Stühlen auf die Spielsüchtigen wartete.

Nachdem dann die ersten Kommunikationsschwierigkeiten zwischen meinem leicht schludrigen Hessisch und dem gestochenen Hannoveraner Hochdeutsch überwunden waren (Ich: Da sind keine Menschen im Dorf, aber viele Hühner… Als der Morgen graut, kräht der Hahn. Verwirrte Spielerin: Wie kann ein Hahn krähen, wenn die Hühner keine Männchen haben?) – lief es auch sehr flüssig. Wie ich es von zuhause gewohnt bin, setzte sich die 4er Gruppe aus zwei Mädels und zwei Jungs zusammen, was mich spontan zu einem weiteren Pluspunkt bringt (den ich eigentlich schon vorher erwähnen sollte): Der Frauenanteil lag bei rund 30% – was der „Männer-Domäne“ Rollenspiel einen verdienten Knacks einbrachte.

Abyss
Hommage an ein bekanntes Brettspiel: Der Gewölbekeller öffnet erst, wenn der Terrorlevel hoch ist.

Bis um 2 Uhr dauerte die Sitzung (inkl. Kaffepause), danach ab ins Kellergewölbe (The Abyss), wo sich die werte Community zum verdienten Bierchen einfand. Auch hier kann man einfach nicht aufhören, Pluspunkte zu verteilen: Denn erstens gab’s alle Getränke für erschwingliche 1,50 Euro und zur Stärkung wurden leckere Laugenbretzel kostenlos verteilt. Es ist allerdings an der Zeit zu erwähnen, dass die Teilnahme insgesamt 85 Euro (80 für Cthulhu-Mitarbeiter) kostete, darin enthalten 2 Übernachtungen, 6 Mahlzeiten, die erwähnte Lotterie, jede Menge Laugenbretzel, viel Kaffee und ein pralles Programm.

Am Samstag ging’s fröhlich weiter. Nach dem Frühstück verteilte sich die Masse auf die verschiedensten Gruppen. Zu diesem Zeitpunkt war man selbst als Neuling Teil der Familie: Man hatte zusammen geplaudert, Bier getrunken, gespielt und gegessen, gut ein Dutzend Leute war mir inzwischen vertraut (weitere sollten folgen). Ich ließ die Frühmorgen-Sitzung aus und konzentrierte mich aufs Palavern.

Mörder-Party
Alle Mitglieder der Mörder-Party. Da kann sich der Spielleiter Omar Kaid Ramdani genüsslich auf dem Boden räkeln.

Dafür konnte ich mich dann um 14 Uhr zu einer „Mörder-Party“ unter Omar Kaid Ramdani einbuchen. Das erwies sich als nettes Liverollenspiel mit genialen Charakteren und ausgezeichneten Rollenspielern (wie eigentlich immer). Als ich nach drei Stunden meiner geplanten Opferung tapfer widerstand (Dank an alle treuen Kultisten, Iäh, Cthulhu ftaghn!), war das Spiel allzu früh beendet. Machte aber nix; die Zeit bis zum Abendessen vertrieb ich mir eben mit Brettspielen.

Irgendwie ging der Tag viel zu schnell vorbei, so eilte ich wieder in die Abgründe der Hölle, um an einem sehr netten Whisky-Tasting teilzunehmen. Ich selbst hatte leider keine Flasche im Gepäck, konnt mich mit Christian aber auf eine wohlwollende Spende einigen, um die herausragenden Tropfen der anderen Teilnehmer zu genießen. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, ob es irgendwo auf dieser weiten Welt noch ein Rollenspielevent gibt, bei der eine erklekliche Teilnehmerschar (ca. 15 Personen) hochqualitativen Whisky mitbringt und darüber trefflich zu diskutieren weiß. Meine Punktzahl für das Gesamtevent muss daher spätestens an dieser Stelle sämtliche Grenzwerte sprengen. (Im übrigen stand die hehre Idee im Raum, mal ein Cthulhu&Whisky-Festival in meiner Stammbar, der Villa Konthor, Limburg, durchzuführen. Wer sich dafür interessiert – auch ohne auf der DCC anwesend gewesen zu sein, möge mir ein elektronische Notiz senden).

Das ganze ging in ein sehr feines und interessantes Table-Quiz über, bei dem vor einem Publikum aus schätzungsweise 40 Leuten (plus Burg-Praktikanten) 24, teils extrem knifflige Fragen aus dem Cthulhuversum zu beantworten waren. Leider geriet meine Gruppe wegen eines besch*** halben Punkts von Platz 2 am Ende noch auf Platz 3 (der Maser ist schuld!), aber lustig war’s allemal. Aber hier muss ich doch den Organisatoren einen halben Punkt in der Gesamtwertung abziehen. Schöner wäre es allemal, wenn man fürs Tablequiz einen Zeitpunkt gefunden hätte, an dem alle Gäste dabeisein könnten (ich unterstelle mal, dass das Thema für alle interessant ist). Vielleicht klappt das besser im nächsten Jahr, wenn die DCC über 4 Tage geht.

Mirko
Dieser Herr hatte entweder zu viel Whisky oder Kaffee...

Es war spät, der Mirko war ganz schön beduselt, Ende Tag 2.

Der Sonntag bleibt als Depri-Tag in Erinnerung. Die Nachwirkungen vom Vorabend, die aus Zeitmangel ausbleibende Dusche und die vielen Abschiedszeremonien zehrten an den Nerven. Zu diesem Zeitpunkt war ich gut und gerne mit 40 bis 50 Leuten in Kontakt gekommen, hatte viel erlebt, viele neue Standpunkte aufgenommen, Ideen entwickelt, dummes Zeug verzapft und Wolkenschlösser gebaut, aber auch erstaunlich viele Gespräche über Themen abseits des Hobbys geführt.

Zu einer letzten Zusammenkunft ließ man die Aula noch mal „Arkham“ heißen, als alle Gäste zu der mit Spannung erwarteten Vorausschau von Frank Heller zusammenkamen. Frank (seines Zeichens Chefredakteur der Cthulhu-Publikationen) lüftete den Schleier zu der wohl grandiosesten Mega-Kampagne, die Schockwellen durch die deutsche Cthulhu-Szene senden wird: Die Berge des Wahnsinns! Drei Hardcover-Bände, ein zusätzlicher Expedition-Pack, geniale Farbtafeln made in France, farbige Charakterbögen, Spielfiguren und etliches mehr werden ab Herbst 2010 neue Maßstäbe setzen (ich denke mal international!). Oder wie es der gebürtige Hesse formulieren würde: Das rockt wie Sau!

Wahrscheinlich im nächsten Jahr werden dann der Quellenband zu Kingsport folgen  und der Mittelalter-Quellenband „Kreuzzüge„. Mehr will ich nicht verraten, aber ich freue mich tierisch, dass ich für beide Werke Abenteuer beisteuern darf.

Ganz am Ende des endgeilen Convention  rief Frank noch einmal alle Cthulhu-Mitarbeiter zu sich nach vorne und erklärte ihre Arbeiten und Funktionen.

New York Band
Der neue New-York-Band. Unbedingt kaufen, schon wegen der tollen Abenteuer!!!

Der Platz an der Stirnseite wurde mit jedem Aufruf enger (auch ich war dabei, denn mit dem neuen New-York-Band war gerade mit viertes Abenteuer publiziert worden, habe ich das bereits erwähnt?). Das war es dann. DCC 2010 abgeschlossen. Countdown zur DCC 2011 begonnen!

Ich freu mich drauf!

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Links von der DCC:

http://ghoultunnel.wordpress.com/2010/07/26/bilder-vom-larp-das-sanatorium-auf-der-cthulhu-con-2010/

 

http://www.system-matters.de/

 

Fazit

Positiv:

– Extrem gute und kreative Orga

– Sehr viele Programmangebote

– Ausnahmslos gute Spieler und Leiter

– Lockere Atmosphäre

– Genügend Freiraum für sich und Ruhe bei den Spielrunden

– Ausreichend Kaffee, gutes Bier

– Hervorragende Unterstützung durch Pegasus

Negativ:

(Da muss man schon tief graben)

– Für das Megaprogramm waren 3 Tage einfach zu kurz

– Keine Möglichkeit für Tageskarten oder Kurzbesuche

– Maximale Teilnehmerzahl (wegen Betten) 120 Personen (die wurden diesmal leider nicht erreicht)

DCC 2011:

Termin: 15. bis 18. Juli (Fr – Mo)

Infos: www.cthulhu-con.de

Teilnehmer: Mitmachen kann grundsätzlich jeder. Für Cthulhu-Enthusiasten ist die DCC eigentlich Pflicht. Rollenspielfreunde, die gerne mal Cthulhu spielen, werden definitiv auch  auf ihre Kosten kommen.

Programmangebote: Voraussichtlich jede Menge Spielrunden, ausschließlich deutsches Cthulhu aus dem Hauses Pegasus (1920er, Mittelalter, Gaslight, Now, Freestyle), Liverollenspiel(e), Brettspiele, Pegasus-Stand, gemütliches Rahmenprogramm

6 Kommentare zu „Cthulhu Convention 2010: Ein detaillierter Nachbericht“

  1. Sehr schöner Bericht, Mirko! Danke dafür und für die netten Gespräche. Ich hoffe, nächstes Mal spielen wir auch zusammen!

    Grüße aus Wien,
    Markus

  2. Vielen Dank. Fand’s auch nett! Das Angebot mit dem gemeinsamen Spiel nehme ich gerne an – als Spieler, versteht sich 🙂

  3. Hallo Mirko, wir wollen uns auch nochmal für die schöne Spielrunde bedanken, und den Einblick in das Mönchsleben im Mittelalter. Überhaupt haben wir ausnahmslos nette, tolle Leute kennengelernt. Die Reise hat sich wirklich gelohnt!

  4. Ein wirklich toller Bericht. Hut ab !

    Die Burg ist nett, wir haben dort mal ein LARP Kloster gespielt – da kann ich mir dein Abenteuer, welches wir ja bei dir zuhause spielen durften, sehr gut vorstellen.

    Gruß Bernd

  5. hach, schön. der con zum nachlesen. dabei sein und hinterher
    foto gucken berichte lesen und sich auf nächstes jahr freuen.

    danke mirko

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