Explodierende Würfel: Warrior, Rogue & Mage


 Beim zurückliegenden Stammtisch der Kellerkinder Limburg (14.9.2010) hatten wir Gelegenheit, das neueste Werk aus Michaels Feder ausprobieren zu können: Warrior, Rogue & Mage ist ein auf englisch verfasstes Rules Light System mit einigen bemerkenswerten Neuerungen und Innovationen.

Eine Rezension aus der Reihe „Kellergeflüster“ von Mirko Bader

Wer Michael Wolf nicht kennen sollte: Er ist einer der Initiatoren des Stammtischs, Rollenspiel-Sammler, langjähriger englischsprachiger Blogger (www.stargazersworld.com) und einer der Kernpfeiler unserer kleinen Community. Mit WR&M legte er ein hübsches, kleines Rollenspielsystem vor, dass er selbst entwickelte, grafisch aufbereitete und auf DriveThruRPG kostenlos zum Download anbietet. Wie man sich anhand des Titels vorstellen kann, beruht Warrior, Rogue & Mage auf den drei Säulen Krieger, Schurke und Magier. Wobei hier nicht Klassen gemeint sind, sondern Attribute. Die Idee ist einfach, aber bestechend: Die Charaktere werden nicht in enge Klassen gezwungen, sondern dürfen sich ihre Vorlieben selbst aussuchen, indem sie 10 Punkte auf die drei Attribute Warrior, Rogue oder Mage verteilen, wobei jedes Attribut maximal 6 betragen darf. Dabei steht Warrior für alles, was einen Krieger eben ausmacht: Stärke, Nahkampf, Schaden einstecken etc. Das Rogue-Attribut ist mehr oder weniger ein Synonym für Geschicklichkeit, Gewandheit, List und Tücke. Und Mage steht für Intelligenz, Zauberkraft und Wissen. Warum man die Attribute nicht einfach Stärke, Geschick und Intelligenz nennt, liegt sicher daran, dass es noch viele weitere Aspekte gibt, die man nach Michaels System problemlos in die drei Attribute pressen kann. Hier vor allem soziale Aspekte. Die scheinen auf den ersten Blick völlig zu fehlen, lassen sich aber in Wirklichkeit relativ gut in W, R und M einsortieren. So könnte man Feilschen mit Rogue erklären, Überzeugen mit Mage und Einschüchtern mit Warrior. Passt und reicht völlig aus. Vorgefertigte, feste Klassen fehlen hingegen. Die sind dann auch gar nicht mehr nötig, wobei ich leider nicht tief genug in das Regelwerk eingestiegen bin, um zu ermitteln, inwiefern Waffenbenutzungen oder Zaubertalente limitiert sind. Vieles wird jedoch auch einfach dem Spielleiter überlassen (ein weiteres, deutliches Merkmal von leichten Regelwerken). Zusätzlich zu den Attributen gibt es eine Reihe von Skills, von denen man sich drei zu Spielbeginn als „trainiert“ ankreuzen darf. Die Liste der Talente lässt sich leicht erweitern und den Charakteren anpassen. Das ist auch wichtig, denn an dieser Stelle hätte ich mir dann doch zumindest ein soziales Talent wie z.B. Manipulation gewünscht, denn die Talente auf dem Charakterbogen sind möglicherweise doch ein wenig zu kampflastig bzw. körperbetont. Außerdem darf man sich ein Talent aussuchen, das die eigene Ausrichtung unterstreicht wie z.B. besser Schaden verkraften, mehr Schaden austeilen, Zaubern in Rüstung etc.

Ansonsten: Hut ab! Das Grundkonzept W, R & M ist für ein Rules Light System vermutlich die eleganteste und einfachste Lösung – und für alle Spieler sehr intuitiv erfassbar.

Zum Würfelsystem

Das Grundsystem ist einfach: Man würfelt mit einem W6, addiert den Level in W, R oder M (was halt passt) und addiert evtl. einen +2 Skillbonus (wenn man den passenden Skill angekreuzt hat). Damit muss man einen Difficulty Level (DL) überbieten. Das Lustige: Würfelt man eine 6 UND hat das entsprechende Talent, „explodiert“ der Würfel: Man darf so lange weiterwürfeln und die Werte addieren, wie man 6en würfelt. Bei Schadenswürfen explodiert der W6 immer. Hier muss ich ein wenig die Analyse vertiefen, denn dieses System macht zwar a) Spaß, hat aber b) seine Tücken.

Der Spaß-Faktor ist schnell erklärt: Eine 6 auf dem W6 fällt statistisch relativ häufig – somit explodiert der Würfel auch relativ oft (vorausgesetzt man hat den passenden Skill) . Das führt dazu, dass man als Spieler bei jedem Wurf auf eine 6 hofft. Das steigert die Spannung und sorgt immer wieder für explodierende Würfelwerte (gleichzeitig werden die Bewegungen des Spielleiters hinter dem Sichtschirm misstrauisch beäugt: Sollte er etwa wieder einmal eine 6 für die Gegner gewürfelt haben?)

Andererseits macht es das Spiel auch unberechenbar. Zunächst einmal darf man immer, wenn der Würfel explodiert, ja auch gleichzeitig den +2 Talentbonus einrechnen, d.h. dass man bei einer Explosion immer mindestens einen +8-Bonus hat. Das eigentliche Können des Charakters, also das Attribut W, R oder M kann da schnell in den Hintergrund treten. Entweder man würfelt schlecht, moderat oder gigantisch! Beim Probespiel musste ich leider als axtschwingender Krieger miterleben, wie mein Kampfgefährte, ein wissender Reisender, der durchschnittlich gut mit dem Bogen umgehen kann, durch explodierende Würfel zwei Halunken in 3 Runden tötete, während ich mit moderaten Würfeln vier Runden für meinen ersten Kill brauchte.

Andererseits: Die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch eine 6 gewürfelt und genauso viele Halunken um die Ecke gebracht hätte, ist identisch. Ich hatte nur Pech beim Würfeln.

Schnell und tödlich

Das restliche Spielsystem ist absichtlich übersichtlich und kurz gehalten. Panzerungen geben entweder Boni auf Defense (d.h. man wird schwerer zu treffen) oder einen Abzug auf den Schaden (das ist eine Neuerung, die Michael aufgrund eines Bugs im Original-Regelwerk eingeführt hat, dort geben Panzerungen immer einen Boni auf Defense, wodurch manche Gegner nur durch explodierende Würfel zu knacken sind).

Waffen richten unterschiedlichen Schaden an, wobei auf den Schaden immer noch die Differenz zwischen Angriffs-Würfelsumme und gegnerischer Defense addiert wird. Auch hier: Explodiert der Würfel, werden so hohe Schadensmengen erreicht, dass die Grundwerte der Waffe (im Schnitt 1W6) manchmal kaum noch eine Rolle spielen. Mit etwas Glück (oder Pech) ist also WR&M ein sehr schnelles und tödliches Spiel.

 Glücklicherweise hat Michael Fate-Points integriert, womit man u.a. tödlichen Angriffen gerade noch ausweichen kann. Die Zahl der Fate Points ist wiederum abhängig vom Rogue-Attribut. Klingt plausibel, denn gerade Rogues sind nun mal für ihre Gewandtheit bekannt. Andererseits: Ungeschickte Magier (wenn man denn einen spielen möchte) haben eine kurze Lebenserwartung. Man trifft sie leicht, sie haben wenig Rüstung, und das Schicksal meint es schlecht mit ihnen…

 Darüber hinaus kann man Fate Point auf weitere vielseitige Weise einsetzen, um z.B. einen Wurf zu wiederholen, sich Boni zu erkaufen, „zufällige“ Ereignisse herbeizuführen oder die Spielwelt in Details anzupassen.

Was es sonst noch gibt

 Andere Aspekte, vor allem sozialer Art, werden nicht in den Regeln erklärt. Das geht in Ordnung, da man (gerade in Rules Light Systemen) soziale Handlungen doch lieber dem Rollenspiel überlässt. Wenn man will, kann man ja immer auf die Grundattribute zurückgreifen. Michal hat zudem eine ausreichend große Liste an Gegenständen, Zaubersprüchen und Zusatzregeln entworfen, die das Spiel abrunden. Eine Fantasy-Spielwelt mit postapokalyptischer Note passt auch noch in den Umfang des kostenlosen Grundregelwerks.

Zudem gibt es bereits eine Reihe von (englischsprachigen) Autoren, die das unter der Creative Commons Lizenz herausgebrachte Werk als Basis eigener Spielsysteme bentuzen.

Fazit

 Für einen geselligen Spielabend, bei dem man immer wieder auf die 6 hofft und dadurch heldenhafte, extravagante Ergebnisse erzielt, ist Warrior, Rogue & Mage bestens geschaffen. Den wesentlichen Spaßfaktor verdient das System durch das Würfelsystem, daher sind Kämpfe (z.B. im Dungeon) einfach unverzichtbar. Die Unterschiede zwischen den „Klassen“ verwischen spätestens bei einer Würfel-Explosion. Das macht das Spiel insgesamt fairer, denn selbst wenn der tumbe Magier mit dem Dolch ein fieses Monster mit einem Wurf killen kann, gibt es keine echten Außenseiter. Andererseits sind natürlich gerade die „Klassenunterschiede“ für viele Spieler das A und O eines Rollenspiels – das muss jede Gruppe für sich selbst entscheiden.

Was ich natürlich nicht testen konnte, waren langfristige Entwicklungen in einer Kampagne. Wenn die Grundattribute steigen, wächst auch ihre Auswirkung auf den Würfelwert und die Klassenunterschiede treten stärker zutage. Es ist vielleicht eine nette Idee, einfach mal mit einem durchschnittlichen, wenig ausgeprägten Charakter zu starten, und ihn erst im Laufe einer Kampagne zu entwickeln.